Projekt KI_eeper – Know how to keep: Mit KI Erfahrungswissen identifizieren und sichern

Hans Peter Müller (Name fiktiv) arbeitet seit über 40 Jahren bei einem mittelständischen Unternehmen. Das Unternehmen stellt Schneidwerkzeuge her. Als Ausgangsmaterial dienen unterschiedlich dicke und lange Flachstähle. Das Material ist mal mehr mal weniger verbogen und muss daher vor der Weiterverarbeitung gerichtet werden. Dafür wird dieses von Herrn Müller in eine hydraulische Presse eingeführt. Der Mitarbeiter gibt durch seine Handhabung des Materials vor, wann und wo die Presse Druck auf das Werkstück ausübt. Nach circa 20 Minuten ist das Material gerade. Diese Technik hat sich der Mitarbeiter im Laufe der Jahre selbst angeeignet und kann nicht explizit sagen, warum die Presse genau in der Anzahl und auf diese Stellen des Materials einwirken muss. „Ich habe das im Gefühl!“ so seine Aussage. Hans Peter ist der Experte in diesem Arbeitsbereich. Herr Müller plant in zwei bis drei Jahren in Rente zu gehen. Nun steht das Unternehmen vor der Herausforderung, dieses elementare Wissen, welches sich nicht einfach in Worte fassen lässt, zu sichern, denn ohne passendes Ausgangsmaterial können die nachfolgenden Arbeitsprozesse nicht fehlerfrei ausgeführt werden

Der Mensch nimmt seine Umgebung mit allen Sinnen wahr! Dabei entsteht viel unbewusstes Wissen. Dieses implizite Erfahrungswissen, was sich häufig auch in intuitivem Verhalten äußert, trägt maßgeblich zu reibungslosen Abläufen in Unternehmen bei.

Vor dieser Herausforderung der Sicherung von langjährig erworbenem Erfahrungswissen stehen eine Vielzahl von Unternehmen in Deutschland. Denn: Eine ganze Generation, die sogenannten Babyboomer, geboren in den 1960er Jahren, gehen in naher Zukunft geballt in den Ruhestand. Aktuelle Ansätze den Wissensschatz der Erfahrenen zu bergen, sind leider noch rar, zeitintensiv und kostspielig. Darüber hinaus erschweren die aktuellen Arbeitskräfteengpässe den Wissenstransfer durch Mentoring oder altersgemischte Teams, denn offene Stellen bleiben oftmals sehr lange unbesetzt. Zusätzlich steigert die zunehmende Variantenvielfalt in den Betrieben die Komplexität am Arbeitsplatz, was Fehler im Produktionsprozess verursachen kann, wenn Beschäftigten nicht alle notwendigen Informationen zur Ausführung ihrer Tätigkeit zur Verfügung stehen.

Abb. 1: Trendentwicklungen, die ein effizientes, KI-basiertes Wissensmanagement nötig machen (Ottersböck, Rusch 2022)

Eine für KMU praktikable Lösung für diese genannten Herausforderungen soll in dem Forschungsprojekt KI_eeper – Know how to keep geschaffen werden. Das Forschungskonsortium hat sich zum Ziel gesetzt, in diesem, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten, Projekt (Förderkennzeichen 02L20C500 – 02L20C505) mittels Künstlicher Intelligenz eine effiziente technische Lösung für dieses Problem zu entwickeln. Diese soll Unternehmen ermöglichen, (Erfahrungs)Wissen automatisiert im Arbeitsprozess zu erheben, abzuspeichern und Beschäftigten wiederum als Assistenz für die korrekte Ausführung ihrer Tätigkeit zur Verfügung zu stellen (Abb.2).

Abb. 2: KI_eeper Lösungsansatz und Zielsetzung (Ottersböck, Rusch 2022)

Information, Kommunikation und Partizipation als Basis für eine bedarfsgerechte Technikentwicklung

Die Herausforderung in dem Projekt ist die Kombination aus Wissenstransfer und Technikeinführung. Sowohl Wissenstransfer als auch Technikeinführung wecken nicht selten Ängste in der Belegschaft, die sich in den folgenden Gedanken und Fragen äußern: „Wenn ich mein Wissen preisgebe, verliere ich dann Status, Gehalt oder sogar meinen Job?“, „Macht mich Technik überflüssig?“ oder „Werde ich zukünftig durch das KI-System überwacht?“ Um diesen Ängsten entgegenzuwirken und Akzeptanz für Veränderungen zu fördern, wird im Projekt ein soziotechnischer Ansatz verfolgt, der auf Information, Kommunikation und Partizipation fußt. Durchgeführt wurden bereits Informations- und Sensibilisierungsworkshops mit Führungskräften und Beschäftigten. Des Weiteren sind Maßnahmen zur Sicherstellung ethischer, rechtlicher und sozialer Kriterien für Technikeinsatz und KI (ELSI-Kriterien) geplant. In die Entwicklung des Systems werden Beschäftigte von Anfang an partizipativ eingebunden. Erste Anforderungen der Beschäftigten an ein KI-basiertes Assistenzsystem wurden durch Interviews und die Methode der teilnehmenden Beobachtung im Arbeitsprozess erfasst. Dies stellt sicher, dass das System nutzerzentriert und bedarfsgerecht entwickelt werden kann und fördert dadurch die Akzeptanz des Systemeinsatzes im zukünftigen betrieblichen Alltag (siehe Abb. 3).

Abb. 3: Akzeptanzfördernde Maßnahmen und sozio-technische Arbeitsgestaltung (Ottersböck, internes Arbeitspapier)

Das KI_eeper Konsortium

ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e.V.

Lehrstuhl Fertigungstechnik der Universität Duisburg-Essen

Sensrec Service UG

Consipio Software Engineering GmbH

ESM Ennepetaler Schneid- und Mähtechnik GmbH & Co. KG

apra-norm Elektromechanik GmbH

Elabo GmbH

Förderhinweis

Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird im Rahmen des Programms „Zukunft der Arbeit“ (Förderkennzeichen 02L20C500– 02L20C505) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)  gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.

Autorin:

Nicole Ottersböck

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Fachbereich Arbeits- und Leistungsfähigkeit ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V.
Uerdinger Str. 56
40474 Düsseldorf
Tel.: 0211/54 22 63-25
Fax: 0211/54 22 63-37
e-mail: N.Ottersboeck@ifaa-mail.de
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