Modelle und Ansätze zur Geschäftsmodellinnovation

Ansätze für Geschäftsmodell-Prozesse

Der Geschäftsmodellbegriff ist Betrachtungsgegenstand unterschiedlicher Fachdisziplinen. Neben der Betriebswirtschaft (z. B. im Rahmen des strategischen Managements) wird der Geschäftsmodellbegriff vor allem in den Computerwissenschaften (spätestens mit der Durchsetzung des E-Business) und in letzter Zeit auch verstärkt den Ingenieurwissenschaften diskutiert (Zott et al. 2011). Dementsprechend vielfältig sind die entstandenen Geschäftsmodelldefinitionen und -ansätze. In einer Analyse von 30 wissenschaftlichen Veröffentlichungen unterschiedlicher Fachrichtungen zum Thema haben (Burkhart et al.) die wesentlichen Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Ansätze identifiziert. Demnach dient das Geschäftsmodellkonzept der abstrakten Abbildung der Geschäftslogik von Unternehmen. Es ist auf alle Unternehmen unabhängig von Größenklasse oder Branche anwendbar und bezieht Sachverhalte, die außerhalb der Unternehmensgrenzen liegen (z. B. Lieferanten, Kunden) ein. Ein Geschäftsmodell besteht dabei aus unterschiedlichen, untereinander abhängigen Komponenten, die je nach Modell variieren. Gemein ist aber diesen Modellen, dass sie als relevante Gestaltungsfelder die Schaffung eines neuen Wertversprechens für Kunden, neue Ertragsmodelle / Wertschöpfungsfinanzen, neue Wertschöpfungsarchitekturen und neue Wertschöpfungsnetzwerke identifizieren (Casadesus-Masanell und Zhu 2013; Andreini und Bettinelli 2017).

Betrachtet man nun weiterhin Unterstützungssysteme zur Gestaltung der organisationalen und personellen Wissensdomänen bei der Implementierung und dem Betrieb von KI-basierten (Service)Geschäftsmodellen, existieren allgemeingültige Konzepte, die bei der Identifikation und Umsetzung einer neuen Geschäftslogik unterstützen sollen, um innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln (u.a. Praxisorientierter Ansatz zur Geschäftsmodellentwicklung nach Gassmann et al. 2013, Geschäftsmodellentwicklung für Start-Ups nach Kandolf 2016, Geschäftsmodellentwicklung mit dem iOcTen-Geschäftsmodellnach Doleski 2014, Vorgehen zur Geschäftsmodell-Innovation nach  Schallmo 2013, Vorgehen zur Business Model-Innovation nach Wirtz / Thomas 2014).

In der Praxis haben sich zwei Ansätze durchgesetzt – der von (Osterwalder und Pigneur 2011) entwickelte Geschäftsmodellgestaltungsprozess und der von (Gassmann et al. 2017) entwickelte St. Gallener Business Model Navigator.

Der Geschäftsmodellgestaltungsprozess von (Osterwalder und Pigneur 2011) besteht aus den fünf Phasen Mobilisieren, Verstehen, Gestalten, Implementieren und Durchführen, die zum Teil parallel oder auch iterativ durchlaufen werden. Die zentrale Methode dieses Ansatzes ist die Business Model Canvas, ein in der Praxis etablierter Ordnungsrahmen zur Beschreibung bzw. Visualisierung von Geschäftsmodellen. Mit der Business Model Canvas werden sowohl das Wertversprechen (Kundensegmente, Wertangebot, Einnahmequellen, Kundenkanäle und Kundenbeziehungen) als auch die Wertschöpfungsarchitektur (Schlüsselressourcen, Schlüsselaktivitäten, Schlüsselpartner, Kostentreiber) abgebildet.

In der ersten Phase des Geschäftsmodellgestaltungsprozesses (Mobilisieren) werden die Voraussetzungen für die Geschäftsmodellveränderung geschaffen. Dazu zählt beispielsweise die Bildung eines Geschäftsmodellteams und das Erlernen der erforderlichen Methoden durch die Teammitglieder. Die Business Model Canvas dient in dieser Phase primär dazu, ein einheitliches Verständnis für das Konstrukt „Geschäftsmodell“ zu schaffen. Gegenstand der zweiten Phase (Verstehen) ist die Analyse des bisherigen Geschäftsmodells. Sofern noch nicht geschehen, wird an dieser Stelle das eigene Geschäftsmodell in Form einer Business Model Canvas skizziert. Häufig werden in dieser Phase ergänzende Methoden eingesetzt, die das Verständnis über die Kundeneigenschaften (insbesondere deren Probleme und Anforderungen) schärfen und daraus Ansatzpunkte für neue Wertangebote ableiten (z.B. Value Proposition Canvas). In der dritten Phase (Gestaltung) werden Ansatzpunkte zur Weiter- oder Neuentwicklung des bestehenden Geschäftsmodelles identifiziert und u.a. mit Hilfe der Business Modell Canvas in unterschiedliche Geschäftsmodellvarianten überführt. Ziel ist es, ein vielversprechendes Geschäftsmodellszenario für die Umsetzung auszuwählen. Ist eine Geschäftsmodellvariante für vielversprechend bewertet worden, erfolgt in der vierten Phase (Implementierung) die Umsetzung des konzipierten Geschäftsmodells. Sofern erforderlich müssen spätestens jetzt die benötigten finanziellen Mittel beschafft werden. Zudem müssen Maßnahmen vorgedacht werden, die eingesetzt werden können, wenn die tatsächliche Nachfrage wesentlich geringer oder wesentlich höher ist, als bei der Konzeption des Geschäftsmodells angenommen (Anpassungsstrategien). Nach erfolgreicher Implementierung des neuen Geschäftsmodells gilt es den Erfolg ehrlich zu bewerten und das Geschäftsmodell weiterzuentwickeln bzw. kontinuierlich zu verbessern (5. Phase – Durchführen).

Der St. Gallener Business Model Generator unterscheidet mit Initiierung, Ideenfindung, Integration und Implementierung vier Schritte, die ebenfalls iterativ durchlaufen werden (vgl. Gassmann et al. 2017). Im Zentrum dieses Ansatzes steht das „magische Dreieck“ zur Beschreibung eines Geschäftsmodells. Es besteht aus den Elementen WER (Zielkunden), WAS (Wertangebot bzw. Nutzenversprechen), WIE (Wertschöpfungskette) und WERT (Ertragsmodell). In der ersten Phase (Initiierung) erfolgt die Beschreibung des bestehenden Geschäftsmodells und die Analyse der Rahmenbedingungen bzw. des Unternehmensumfelds. Ziel der zweiten Phase (Ideenfindung) ist es, ausgehend vom bestehenden Geschäftsmodell Ideen für neue Geschäftsmodelle zu generieren und auszuwählen. Dazu werden die von den Autoren entwickelten Geschäftsmodellmuster eingesetzt. Diese Geschäftsmodellmuster sind das Ergebnis einer Untersuchung der Autoren, in der sie erfolgreiche Unternehmen der letzten 50 Jahre untersucht haben und bei der sie zu dem Schluss gekommen sind, dass 90 Prozent aller Geschäftsmodellinnovationen ausschließlich Rekombinationen von Elementen oder Konzepte bestehender Geschäftsmodelle sind. Die dabei entstandenen 56 bzw. mittlerweile 60 Musterkarten dienen als kreativer Anstoß zur Entwicklung neuer Geschäftsmodellideen. Die durch Anwendung des Ähnlichkeits- und des Konfrontationsprinzips entstehenden Geschäftsmodellideen werden bewertet und selektiert. Die vielversprechendsten Ideen werden im nächsten Schritt (Integration) detailliert und einer Konsistenzprüfung unterzogen. Dabei wird sowohl überprüft, ob die vier Dimensionen WER, WAS, WIE und WERT untereinander stimmig sind – also ob beispielsweise das angestrebte Wertangebot durch die geplante Wertschöpfungskette realisierbar ist – als auch, ob das entwickelte Geschäftsmodell mit der Unternehmensstrategie und den unternehmensindividuellen Rahmenbedingungen vereinbar ist. Im vierten Schritt erfolgt die Implementierung des entwickelten Geschäftsmodells. Dabei geht es entsprechend des Design-Thinking-Ansatzes zunächst nicht darum, das Geschäftsmodell auf einen Schlag vollständig zu realisieren, sondern Geschäftsmodell-Prototypen zu entwickeln, diese zu testen und auf Basis der Testergebnisse weiterzuentwickeln. Am Ende dieser Iterationszyklen steht die Markteinführung des neuen Geschäftsmodells.

Beide Ansätze werden in der Praxis vielfach eingesetzt; während der Ansatz von (Osterwalder und Pigneur 2011) ermöglicht, die Geschäftsmodellszenarien bereits relativ früh im Entwicklungsprozess detailliert zu beschreiben und die Geschäftsmodellentwicklung durch weitere z.T. nicht originär durch die Autoren entwickelte Methoden unterstützt (z.B. Value Proposition Canvas, Blue Ocean Strategy, SWOT-Analyse), stellt der St. Gallener Business Model Navigator mit den Geschäftsmodellmustern insbesondere für die Ideenentwicklung eine fundierte methodische Basis bereit